Der Fotoreporter Dirk Eisermann präsentierte in der Kulturkirche St. Johannis von Samstag, den 7. Oktober 2023 (14.00 Uhr) bis zum 19. November 2023 62 Fotos aus den 1980er Jahren (insbesondere aus der damaligen Volksrepublik Polen und aus Ungarn 1989) und dokumentierte damit den „Aufbruch im Osten“, die Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmung – ein wieder höchst aktuelles Thema.
Die Ausstellung wurde erstmalig und gemeinsam mit den Arbeiten des Fotografen Andreas Varnhorn im HAUS AM DOM / Katholische Akademie in Frankfurt am Main vom 2. Juni bis 30. August 2022 gezeigt. Die 41 Arbeiten von Andreas Varnhorn wurden auf die Leinwand im Altarraum von St. Johannis projiziert.
Diese Fotoausstellung von Dirk Eisermann passt wunderbar zum Thema unserer Projekte für die Jahre 2022 – 2025: „Freiheit, die ich meine. Zusammenleben gestalten in einer globalisierten Welt“.
Der Fotoreporter Dirk Eisermann hat die meisten kommunistischen und sozialistischen Länder dieser Welt bereist – vor allem die damalige Volksrepublik Polen. Dabei hat er die Menschen, ihre Lebensart und Lebensgefühl kennen und lieben gelernt. In der Regel war er natürlich zum Fotografieren unterwegs (meistens für DER SPIEGEL und mal für den STERN), manchmal aber auch „nur“ um Dissidenten zu treffen und Dossiers von inhaftierten Oppositionellen zu besorgen und außer Landes zu schmuggeln. Er wurde mehrfach festgehalten und verhört, aber nie als Journalist enttarnt.
Und dann kam der 19. August 1989 in Sopron: Für diesen Tag war eine Friedensdemonstration an der österreichisch-ungarischen Grenze angekündigt und für einige Stunden sollte ein Grenztor geöffnet werden. Fluchtwillige DDR-Bürger hatten das mitbekommen und waren zu Hunderten zum Grenzzaun marschiert. Die 'vollkommen überraschten' Grenzschützer ließen sich willig 'überrumpeln' und so stürmten einige hundert Flüchtlinge an ihnen vorbei in die Freiheit, in den Westen.
„Ich muss gestehen, ich war damals in einer moralischen Zwickmühle“, berichtet Eisermann. „Ich war für eine Reportage mit den Grenzern Streife gegangen und wusste, wo die Löcher im Zaun waren. Das konnte ich nicht für mich behalten. Ich habe sogar Menschen im Kofferraum mitgenommen. Das habe ich aber nicht als ,Stern‘-Fotograf für eine gute Story gemacht, sondern als Mensch Dirk Eisermann. Ich hätte auch niemals jemanden zur Flucht überredet. Kein Bild in der Ausstellung ist inszeniert.“
Dieses historische Ereignis, der 19. August 1989 und die Massenflucht von DDR-Bürgern über Ungarn nach Österreich, war dann der letzte Funken, der zum Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks und zum Zerfall der Sowjetunion führte. Wir sollten nicht vergessen, wie hart die Unterdrückung in den Ländern hinterm Eisernen Vorhang war. Überwachung, Willkür, Unfreiheit waren so selbstverständlich wie die langen Schlangen vor den Geschäften, die Reisebeschränkungen oder die verordneten Demonstrationen. Und es ist erstaunlich, wie sich Osteuropa seither verändert hat. Und doch: Unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse in der Ukraine, dem Versuch Putins, die Geschichte wieder 'zurückzudrehen', mit militärischer Macht wieder ein großes russisch dominiertes sowjetisches Reich zu bilden, haben diese Fotodokumente der 1980er Jahre eine neue Aktualität und Bedeutung bekommen.
Am 7. Oktober haben Pastor Ulrich Billet und der Fotoreporter Dirk Eisermann gemeinsam die Fotoausstellung „Aufbruch im Osten“ eröffnet. Im anschließenden Gottesdienst wurden die damaligen Erfahrungen thematisch aufgegriffen. Zusätzlich zu den ausgestellten Fotos von Dirk Eisermann wurden auf die Leinwand im Altarraum 41 Fotos seines Kollegen Andreas Varnhorn projiziert.
Im Gespräch mit Pastor Ulrich Billet und Dirk Eisermann tauschten die Betrachter der Ausstellung ihre Eindrücke aus und berichteten auch eigene Erfahrungen aus der damaligen Zeit.
Dirk Eisermann war am 14.11.2023 nochmals nach Buchholz gekommen, um die Evangelische Jugend Buchholz bei einem Rundgang durch die Ausstellung zu begleiten, und zum Abschluss der Ausstellung mit dem Gottesdienst am 19.11. (Volkstrauertag) nahm er ebenfalls teil und berichtete nochmals von seinen Begegnungen mit den Menschen und ihren Hoffnungen in den damaligen Jahren.
Aus der Verbindung von Gottesdiensten und der Fotoausstellung entstanden spannende Dialoge zu einem aktuellen Thema – Freiheit und Selbstbestimmung. Pastor Billet hat auch in diesen Kulturgottesdiensten die von ihm gern genutzte Methode „Bibliolog“ angewendet, um mit der Kirchengemeinde ins Gespräch zu kommen.