Übersicht zu partizipativen Kunstprojekten
In den Jahren 2018 bis 2021 wurden folgende Projekte realisiert:
Ausstellungseröffnung am 21. Januar 2018: Eine Projektion mit statischen und bewegten Zeichnungen an der Kirchendecke und im Altarraum.
(Ausstellung vom 28.10. bis 25.11.2018)
Der Berliner Künstler Roland Stratmann hat im Kunstverein und in der St. Johannis Kirche seine Werke ausgestellt und beide Orte mit einem feierlichen Festzug miteinander verknüpft. Roland Stratmann bindet in seine partizipative Kunst Besucher und Rezipienten auf unterschiedlichste Weise ein. Er spricht politische, ideologische und gesellschaftliche Konflikte an und ermöglicht mit seinen Projekten individuelle Vielfalt und schafft Raum für Unvorhersehbares.
Unterstützung erhielt er von Schülerinnen und Schülern der Realschule am Kattenberge, die im Rahmen einer Projektwoche Skulpturen für den Festzug entwickelten und in einer gemeinsamen Performance mit dem Künstler die Uraufführung einer „Krisen-Kakophonie“ in der Kultur-Kirche St. Johannis realisierten.
Das Projekt mit Henning Diers war Teil des von der Hanns-Lilje-Stiftung (Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers) für vier Jahre geförderten Projekts Signifikante Kulturkirche – Themen in 2019: Wahrheit und Perspektive. Jeweils etwa zwanzig Gemeindemitglieder und Gäste der Kulturkirche St. Johannis haben an sieben Abenden in der Passionszeit in stets anregender, offener und zugewandter Atmosphäre die sieben Ich-bin-Worte Jesu aus dem Johannesevangelium gelesen und diskutiert.
Am frühen Ostersonntag 2019 war es dann soweit: Henning Diers präsentierte sein Kunstwerk. In etwa zehn Stunden Arbeit am Vortag hatte er ein fünfzehn Meter langes Kreuz im Kirchenraum aufgehängt. Das filigrane, leicht geschwungene – an Flügel erinnernde – Kreuz bestand aus 127 individuell bedruckten Glasplatten. Es war eine beeindruckende Arbeit, ein Highlight für die Gottesdienste. Bis Pfingsten hing das Kreuz im Kirchenraum.
Das gewählte Thema war höchst aktuell: Wahrheit und Perspektive. Dazu hat der Berliner Künstler Thilo Droste mit zwei Gruppen des Gymnasiums am Kattenberge künstlerisch gearbeitet. Unter dem Titel Light Shadows – Licht und Schatten oder leichte Schatten – setzten sich die Schülerinnen und Schüler in der Projektwoche mit Fragestellungen zu Wahrnehmungen und daraus resultierenden Wahrheitsansprüchen auseinander. Immer wieder ging es um unterschiedliche Perspektiven, Standpunkte, Fremd- und Eigenwahrnehmungen. Bilder, deren Schattenseiten und Schattenspiele waren ein wiederkehrendes Element in den Workshops und Ausstellungen.
Die Ergebnisse dieser produktiven Zusammenarbeit wurden am 15.09.2019 im Kunstverein sowie in St. Johannis und am 25.10.2019 im Gymnasium am Kattenberge präsentiert.
In der Kulturkirche St. Johannis wurde zusätzlich zu Installationen des Künstlers eine Schattenspiel-Performance von Schülerinnen und Schülern aufgeführt, die von Pastor Nordmann kongenial improvisiert mit Bibelworten begleitet wurde.
Die Künstlerin Anne Beecken präsentierte Werke ihrer Malschülerinnen und Malschülern des Ateliers lichtRaum. Ausgestellt wurden Acryl-Arbeiten von experimentell-abstrakt bis gegenständlich, von kleinformatig bis raumgreifend. Die Besucher der Ausstellung in der Kirche konnten ihre eigene Kreativität bei einer Mitmachaktion an vier Abenden einbringen und an der Gestaltung einer großen Leinwand mitwirken, die in der Kirchengemeinde – im Gemeindesaal – verbleibt.
Wir konnten das Jahr 2020 mit einer Ausstellung (vom 12.1. bis 8.2.2020) von Bildern des Künstlers Hermann Buß beginnen– mit Bildern aus der Tschernobyl-Sperrzone: Polessje-Elegie – Das verlorene Land.
Die beeindruckende Ausstellung vermittelte eine schmerzhafte Erinnerung an die Katastrophe vom 26. April 1986 und sie forderte uns auf, das Schicksal der Menschen in den verstrahlten Regionen nicht zu vergessen. Die hannoversche Landeskirche hat dieses Projekt veranlasst und unterstützt. Die Ausstellung wurde erstmals 2019 auf dem Kirchentag in Dortmund gezeigt, war anschließend in Minsk und Gomel.
Auch der persönliche Kontakt und Austausch mit dem Künstler Hermann Buß war für uns als Kulturkirche außerordentlich eindringlich und anregend.
„Berufsschüler werden zu Künstlern“
So lautete die Schlagzeile in einem Presseartikel über das Kunstprojekt der Kulturkirche St. Johannis und des Kunstvereins mit den Berufsbildenden Schulen (BBS) in Buchholz. Schülerinnen und Schüler einer BVJ (Berufsvorbereitungsjahr)-Klasse und der Berufsfachschule Sozialpädagogik waren künstlerisch tätig – gemeinsam mit dem Hamburger Künstler Oliver Davis Nebel und dem Berliner Künstler Saeed Foroghi. Üblicherweise steht Kunst nicht auf dem Stundenplan dieser Berufsschülerinnen und Berufsschüler.
Kunstverein und Kulturkirche kooperieren seit Jahren, um einen Dialog über gesell- schaftsrelevante Themen zu fördern – in 2020 zum Thema „Beziehungen und Isolation“ – von den Künstlern konkretisiert mit „GRENZ WERTIG“.
„Imagine John Lennon“: Ausstellung der Ernst Barlach Gesellschaft mit zahlreiche Rahmenveranstaltungen (15.8. bis 3.10.2021)
Die Kulturkirche St. Johannis und der Kunstverein Buchholz e.V. haben vom 15. August bis zum 3. Oktober 2021 die Ausstellung „Imagine John Lennon“ präsentiert, die von der Ernst-Barlach-Museumsgesellschaft konzipiert wurde.
Die Ausstellung zeigte das musikalische, poetische, künstlerische und politische Engagement von John Lennon und dokumentierte seine wichtigsten biografischen Stationen in Form von Songtexten, Objekten, Fotos, Videos, Zeichnungen und Lithographien.
Während im Kunstverein die Zeit von John Lennon mit den Beatles (1960 bis 1970) dargestellt wurde, widmete sich der Teil der Ausstellung, der in der Kulturkirche St. Johannis zu sehen war, seinem künstlerischen Schaffen und politischen Engagement gemeinsam mit Yoko Ono (1970 bis 1980).
Eine Ausstellung zu John Lennon und Yoko Ono in einer Kirche? Vielleicht keine Selbstverständlichkeit, beginnt doch der titelgebende Song für diese Ausstellung mit den Worten: „Imagine, there’s no heaven. It’s easy if you try. No hell below us. Above us only sky.“
Der Song „Imagine“ zählt zu den Klassikern der Popmusik. 1971 veröffentlicht, beschreibt dieses Lied eine Welt, die frei ist von Krieg, frei von Nationalismus und Gewalt. Als Aufruf für Humanität und Frieden wurde „Imagine“ zur Hymne der internationalen Friedensbewegung. Zugleich kann „Imagine“ aber auch als der Kern des künstlerischen und politischen Nachlasses von John Lennon gelten. Sein Engagement für Frieden, Gewaltlosigkeit und für Liebe ist andererseits kaum vorstellbar ohne die Sprache der Bibel – ohne etwa die reiche Bildwelt des Propheten Jesaja oder die Liebesbotschaft Jesu, deren hundertfachen Widerhall man etwa in Lennons Liedzeile „All you need is love“ hören könnte.
Ergänzend zu der Ausstellung wurden verschiedene Rahmenveranstaltungen organisiert (Konzerte, Lesung und Vortrag) – z.B. Vortrag von Dr. Surall (10.9.2021) zum Thema „Glaube und Frieden in den Songs von John Lennon und Bob Dylan; Lesekonzert des Künstlers Johnny Silver „Love and Peace – John Lennon, seine Lieder und die Religion“.
Selfie. Mein Selbst?: Videokunst-Workshop unter Leitung der Künstlerin Meike Redeker mit Schülerinnen und Schülern der Integrierten Gesamtschule Buchholz (Februar 2022)
Das ursprünglich für 2021 geplante Projekt musste aufgrund der Corona-Situation in das Jahr 2022 verschoben und neu konzipiert werden.
Schülerinnen und Schüler der 10. und 11. Klassenstufe der Integrierten Gesamtschule Buchholz (IGS) arbeiteten unter Leitung der Künstlerin Meike Redeker eine Woche lang im Kunstverein Buchholz zum Thema Identität und Soziale Medien unter dem Titel„Selfie – Mein Selbst?“.Dabei übten und nutzten sie die Ausdrucksmöglichkeiten der Videokunst.
Identität ist ein vielschichtiges Thema – für jeden von uns. Individuen und Gruppen suchen Zugehörigkeit und identifizieren sich über kulturelle, ethnische, soziale, religiöse und/oder sexuelle Merkmale. „Identitätspolitik“ ist ein aktuelles gesellschaftliches Reizthema mit zum Teil heftigen öffentlichen Auseinandersetzungen. Ziel kann es sein, Diskriminierungen abzubauen, aber auch, ab- oder auszugrenzen. Was können z.B. Kunst und Religion zu einem offenen, respektvollen Diskurs beitragen?
Die Arbeit im Workshop sollte sich auf für Jugendliche besonders interessante Themen konzentrieren – deshalb Identität und soziale Medien. Die produzierten Videos wurden am Sonntag, den 20. Februar 2022 im Kunstverein und in der Kulturkirche St. Johannis präsentiert und zu weiteren Terminen in der Woche bis zum 27. Februar 2022.
Meike Redeker leitete den Workshop und brachte dafür umfassende Lehrerfahrungen mit. Sie studierte Freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und Medienkunst in Bandung, Indonesien. Ihre Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet und sind international auf Film- und Medienkunstfestivals sowie in Ausstellungen vertreten – und waren hier im Kunstverein Buchholz 2019 in einer Einzelausstellung zu sehen.
Die Künstlerin beschrieb ihre Erwartungen an die Zusammenarbeit mit den Schülerinnen und Schülern wie folgt: „Durch die ständige Verwendung von Smartphone-Kameras und sozialen Netzwerken, Social Media Plattformen und Messengern wie Instagram, YouTube, WhatsApp rückt die Frage der Identität zentral in den Mittelpunkt des Lebens von Jugendlichen. Überall dort werden Fotos, Videos, Selbstinszenierungen, Gruppeninszenierungen, Bilder vom Lebensumfeld, von Hobbies, von Vorbildern hochgeladen und von anderen direkt per Button positiv oder negativ bewertet. Identität und Authentizität werden zu Imperativen des Handelns. Das Arbeiten mit Video bietet einen besonders interessanten Einstieg, um diese Entwicklungen kreativ zu bearbeiten und zu diskutieren. Im Workshop soll ein kritischer, reflektierter und spielerischer Umgang dieser Phänomene durch das Medium Video angeleitet, begleitet und motiviert werden.“
Unter Leitung der Künstlerin Meike Redeker haben Schülerinnen und Schüler der IGS im Videokunst-Workshop Kernfragen zu sozialen Medien reflektiert und dazu Videos erstellt – zum Beispiel: Wieso wirken Webvideos von Youtubern so authentisch? Welche Mittel werden genutzt, um in den sozialen Medien alles perfekt wirken zu lassen? Wie kann man die Masken von Snapchat und anderen Apps für eine Filmhandlung nutzen? Wie werden Memes verwendet und wie fördern sie Diskussionen?
Die Ergebnisse des Workshops wurden im Kunstverein Buchholz und in der Kulturkirche St. Johannis präsentiert. Dazu hatte die Künstlerin etwa die Hälfte des Kirchenraumes von St. Johannis für eine Videoinstallation aus sieben Bildschirmen genutzt. Außerdem wurden über unseren neuen Beamer weitere Videos und Bilder auf unsere neue, riesige Leinwand mit einer Breite von sechs Metern projiziert.
Bei der Veranstaltung in der Kulturkirche St. Johannis ergänzte Frau Daniela Meyer (Leiterin des Fachbereichs Religion in der IGS) die Videopräsentationen mit einem Vortrag zum Thema „Identität und Religion“.